Das Duo Kurtzweyl – Urgestein der Mittelalterszene

45 Jahre Kurtzweyl

45 Jahre ist es her, dass Jürgen Körber sich als „Herr Walther von der Pferdeweide“ selber erfand und AD 1977 das Ensemble Kurtzweyl aus der Taufe hob. Wenig später (1978) kam Barbara Degener als Spielweib zu der seinerzeit sechsköpfigen Gruppe hinzu. 

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Wer die beiden heute bei Banketten, historischen Festen, Konzerten erlebt, kann sich auf alles andere als akademischen Ernst gefasst machen. Mit einer unnachahmlichen Mischung aus Übellaunigkeit und Charme lockt „Herr Walther“ sein Publikum aus der Reserve, pariert gekonnt dessen Einwürfe und zieht mit hintergründigem Humor die Lacher auf seine Seite. Das „Spielweib“ ist ihm Partnerin und Gegenspielerin zugleich, verkörpert Sinnlichkeit und Lebensfreude und lässt sich von soviel männlichem Chauvinismus keineswegs unterkriegen.

Bei aller Leichtigkeit basieren Auftrittsweise und Dialoge auf fundiertem Wissen über Geschichte und Literatur der dargestellten Epoche. Gleiches gilt für die ausgewählten Musikstücke, die stilgerecht und abwechslungsreich auf einer Vielzahl historischer Instrumente geboten werden.

Kurtzweyl entstand aus einem Spielkreis der Musikschule Neuss, mit dem Jürgen Körber mehrchörige Werke der Renaissance einstudiert hatte. Einige Schüler begeisterten sich für das Spiel auf Krummhörnern, Dulzianen, Gemshörnern, Rausch- und Sackpfeifen, originalgetreuen Instrumenten eben, die unter anderem Rolf Westenberg aus Neuss baute.

Schon beim ersten öffentlichen Auftritt in Neuss zeigte sich, dass die Menschen von den ungewohnten Klängen fasziniert waren. Dies umso mehr, als Jürgens Frau Brigitte (+ 1980) die gesamte Truppe mit Kostümen (damals sprach noch niemand von „Gewändern“) versah. Keine einfache Sache, denn Vorlagen lieferten allenfalls historische Gemälde. Besonders für die passende Fußbekleidung war Fantasie vonnöten; da tat es dann auch schon mal eine braun-gelbe Pantolette aus dem Kaufhaus.

Zum Gewand gehörte allsbald sie passende Sprache: Da Mittelhochdeutsch kaum verständlich gewesen wäre, erfanden vor allem Hermann und Barbara Degener eine Mixtur aus dem Deutsch zwischen Luther, Goethe und Moderne. Das war der Anfang der Marktsprache, die man bis heute in der Szene hört.

Hinzu kam das Rollenspiel: Auf der Bühne stritten, schwadronierten und musizierten zum Gaudi des Publikums sechs verschiedene Charaktere, Herold und Tanzweib, ein entlaufender Mönch, ein Narr – das eben, was sich als fahrendes Volk auf den Märkten des Mittelalters herumgetrieben haben mag.

Die passende Szenerie erschufen sich die Spielleute dann ab 1982 mit dem ersten mobilen Marktprojekt. Zusammen mit Handwerkern und Händlern, etliche davon aus dem Oberbergischen, gründete Kurtzweyl den Verein „Kramerey und Kurtzweyl“. Mit dem mittelalterlichen Markt wurde tatsächlich ein Nerv getroffen. Vor allem in den achtziger Jahren war  der  Zulauf enorm, in den besten Zeiten an etwa 20 Auftrittsorten pro Saison. Einer der schönsten davon ist Schloss Homburg, wo seit 1982 alljährlich am 1. Mai Markt gehalten wird (die Umbauzeiten mal ausgenommen). Seit 1986 gibt es den Nachfolgeverein „Kramer, Zunft und Kurtzweyl“. 

Kurtzweyl selber aber ging ab 1988 eigene Wege. Seit 1991 fungiert unter diesem Namen nur noch das Duo. Als solches arbeitet es in unterschiedlichen Projekten – zu Firmenfesten, bei Banketten, auf Märkten – oft  zusammen mit anderen Künstlern. Von 2006 – 2020 wurde „Kriminalbankett“ Theater gespielt mit weniger schaurigen als humorigen Kriminalstücken. Leichtfertige Nonnen, machtgierige Potentaten, Kreuzritter und Toren sorgen für Spannung ebeno wie für Gelächter während eines opulenten Bankettes. Die Stoffe sind dem Mittelalter entlehnt, die Stücke selbst geschrieben, inszeniert und vermarktet. 

Da die Musik bei solchem Tun etwas zu kurz kam, geben die beiden neuerdings wieder gerne Konzerte zusammen mit befreundeten Musikern. Eines davon „Audite Silete“  enstand 2021 in Zusammenarbeit unter anderem mit dem Duo Confilius und Andrea Schmiedeberg Bartels (Ludus Venti).

Persönliche Daten:

Barbara Degener *1949, Studium Germanistik/Geschichte, Lehramt Gymnasium, seit 1978 allerdings konzentriert auf Kinder und Kurtzweyl 

Jürgen Körber *1949 Studium Musik/Mathematik/Musikwissenschaft, Lehramt Grund-und Hauptschule, dort tätig bis 2014


„Audite Silete“ Alte Musik zum Kurtzweyl-Jubiläum

Foto: Max Hoenow

Die ersten Feiern zum 45jährigen Geburtstag des Ensembles Kurtzweyl hatten ja bereits im März in Bergneustadt und Marienberghausen stattgefunden. Als sich weitere Kollegen interessiert an einer Mitwirkung zeigten, nahm das Wiehler Duo die Chance zur Erweiterung des Jubiläumsprogramms wahr. Zumal die beteiligten Kirchengemeinden die Künstler gerne willkommen hießen. An drei aufeinander folgenden Abenden also begaben sich die zahlreich erschienenen Zuschauer auf eine imaginäre Reise durch Raum und Zeit an den Hof zu Wolfenbüttel. AD 1604 nämlich leitete Kapellmeister Michael Prätorius (alias Jürgen Körber) dort  erstmalig die Probe der Hofkapelle. Das erwies sich als keine leichte Angelegenheit, waren doch die Mitglieder der Kapelle keineswegs einander gewogen, erschröcklicherweise auch noch meist weiblichen Geschlechtes und durchaus auch mal aufsässig. Turbulenzen allerdings erzeugten die vom Herzog bestellten englischen Komödianten: Artistische und musikalische Meisterleistungen gingen mit allerlei tolpatschigen Zwischenfällen einher – wahrlich verdrießlich für jeden Liebhaber ernsthafter Musik.

Das Publikum reagierte keineswegs verdrossen, sondern hellauf begeistert. Das Duo Confilius mit Conny und Philipp Fuchs erspielte sich zusammen mit Christine Hübner (Oro) rasch alle Sympathien, sorgte für den nötigen Drive bei allen Musikstücken, tanzte, trommelte und trällerte, dass es eine Freude war. Und die Musik aus dem frühen Barock erklang glanzvoll und in vielfältigen klanglichen Varianten, da sich mit Zugtrompete und Fiedel (Almut Rux), Gambe und Dulzian (Sabine Schiffels), Harfen, Zinken und Pommern (Andrea Schmiedeberg-Bartels und Wolfgang Köhler) und Contrabass (Florian Stühn) eine wunderbare Verstärkung zu den Instrumentalisten von Kurtzweyl ergeben hatte. Bei aller Heiterkeit gab es aber auch ernste Momente: Mit Heinrich Schütz ergreifender Motette „Verleih uns Frieden gnädiglich“ erinnerten die Musiker daran, dass die Sehnsucht nach einer friedlichen Welt heute wie damals unerfüllt bleibt.

Dank der großzügigen zusätzlichen Unterstützung durch die Bürgerstiftung Wiehler Kulturgüter, die Interessengemeinschaft IglO e.V. und das Förderprogramm Neustart.miteinander des Landes NRW gelang es zudem, die Besucher zu einem Getränk nebst Imbiss einzuladen. Das wurde gerne angenommen, wie die angeregten Gespräche verrieten. Jedesmal zeigte sich, dass die für Kurtzweyl typische Mischung aus Schauspiel und Musik gut geeignet ist, auch solche Menschen zu erreichen, die eigentlich kein Faible für alte Musik haben. 

Barbara Degener